Constellation: Das Erbe der Apollo- und Shuttle-Programme
Am 24. Juli 1975 endete das bemannte Apollo-Programm mit der Landung des Kommandomoduls der Apollo-Sojus-Mission im Pazifischen Ozean. Jetzt, 32 Jahre später, läuft die Entwicklung des Constellation-Programms auf Hochtouren. Das Ziel ist es, ein System zu bauen, mit dem sowohl ISS-Versorgungsflüge, als auch Mond – und später Marsmissionen ermöglicht werden sollen. Dazu wird ein neues Raumschiffsystem entwickelt. Doch was ist wirklich neu und was wurde übernommen?
Das neue Sternbild am Himmel
NASA
Unter dem Begriff "Constellation" (übersetzt: Sternbild), versteht die NASA das Projekt, in dessen Rahmen die neue Raumschiffgeneration entwickelt wird. Das Programm umfasst die Ares-I und Ares-V-Trägersysteme, das Orion-Crew- und Versorgungsmodul (CM/SM), sowie das bisher namenlose Landemodul. Nachdem sich das Space Shuttle langfristig als zu teuer erwiesen hat und 2010 ausgemustert wird, verwendet die NASA im Ares-System nur die bewährtesten Technologien und Verfahren der Apollo- und Shuttle-Programme.
Die Ares I
Im Vergleich zur Saturn-V-Rakete ist bei der Ares I neu, dass sich das Mondlandemodul nicht an Bord befindet. Bei einer Mondmission beschränkt sich die Ares I damit auf das Transportieren der Besatzung und der CM/SM-Einheit. Die Ares I wird aber auch für unbemannte Versorgungsflüge zur ISS eingesetzt werden, bei welchen sie knapp 23 Tonnen Nutzlast befördern kann. Wegen ihrer schlanken Form wird sie auch einfach "The Stick" genannt. Die untere, erste Stufe besteht aus einer angepassten, von vier auf fünf Segmente erweiterten Feststoffrakete, welche von den Solid Rocket Boosters des Space Shuttles abgeleitet und mit einem Steuerungssystem zur Stabilisierung erweitert wurde.
Die zweite, obere Stufe bildet ein J-2X-Raketenmotor. Das J-2X-Triebwerk ist eine Weiterentwicklung des J-2, welche in der Saturn 1B und in der Saturn V zum Einsatz kam und der in den frühen 70er Jahren gebauten, vereinfachten J-2S, welche aber nie zum Einsatz kam. Sie wird mit einem flüssigen Treibstoffgemisch (Wasserstoff und Sauerstoff) aus einem Tanksystem ähnlich dem des Space Shuttles gespeist. Darüber liegt das Orion-Crew- und Versorgungsmodul (CM/SM), welches durch einen Adapter und eine Instrumenten-Einheit mit der Trägerrakete verbunden ist. An der Spitze dieses Systems befindet sich ein von der Saturn V her bekanntes Startabbruch-System, welches auch einen Schutzkonus über dem Crewmodul beinhaltet und beim Absprengen mit der Rettungsrakete abgetrennt wird.
Die wichtigsten Daten
Höhe: 94,0 m
Durchmesser: 5,5 m
Startgewicht: Noch unbekannt
Nutzlast: 24,5 t (Bahnneigung 28.5°)
Nutzlast: 22,9 t (Bahnneigung 51.6°, ISS)
Jungfernflug: 2009
Die Ares V
Die Ares V ist der Lasttransporter des Constellation-Programms. Sie wird die Landemodule ins Weltall befördern. Die Basisstufe besteht aus einem Flüssigtreibstoff-Triebwerk mit fünf RS-68 Motoren. Die RS-68 wurden ursprünglich für das Delta-IV-Raketensystem entwickelt. Der Treibstofftank mit flüssigem Wasserstoff und Sauerstoff ist eine größere Version des externen Space-Shuttle-Tanks. Ebenfalls in der Basisstufe kommen zwei Feststoffraketen ähnlich wie beim Space Shuttle zum Einsatz. Diese Raketen bestehen wie auch bei der Ares I aus fünf Segmenten, womit eine höhere Schubkraft und eine längere Brenndauer als beim Shuttle erreicht werden. Die Feststoffraketen werden wie beim Space Shuttle wiederverwendbar sein. In der zweiten Stufe kommen wie auch bei der Ares I J-2X-Triebwerke zum Einsatz. Diese zweite Stufe dient sowohl dazu, den Erdorbit zu erreichen, als auch um die CM/CS Einheit, gekoppelt mit der Landefähre, aus dem Erdorbit zum Mond zu befördern.
Über der 2. Stufe befindet sich der Nutzlastbereich, in welchem das Landemodul für eine Mond- oder Marsmission, oder eine andere Last befördert werden. Zuoberst befindet sich eine Haube aus Verbund-Werkstoffen, welche die darunter liegende Fracht während des Aufstiegs in den Erdorbit schützt, aber vor Erreichen des Orbits abgesprengt wird.
Die wichtigsten Daten
Höhe: 109,2 m
Durchmesser: 8,4 m
Startgewicht: Noch unbekannt
Nutzlast: für Erdorbit 130 t
Nutzlast für Mondorbit: 65 t
Jungfernflug: 2018
Die Ares IV
Im Januar 2007 informierte die NASA, dass die Entwicklung einer Ares IV ernsthaft in Betracht gezogen werde. Diese Rakete könnte einige oder alle Ares-I- und Ares-V-Systeme in späteren Missionen ersetzen, so die NASA. Damit wäre die Ares IV in der Lage, ein komplettes Raumschiffgespann einer Mondlandung auf einmal in den Erd- und Mondorbit und die Besatzung wieder zurück zur Erde zu befördern. Die Ares IV wäre eine Kombination aus Ares I und Ares V (siehe Grafik). Bei einer Mondlandung würde zum größten Teil dasselbe Verfahren zum Einsatz kommen, wie es beim Apollo-Programm mit der Saturn-V-Rakete der Fall war. Der Entscheid für oder wider Ares IV ist zum jetzigen Zeitpunkt noch offen.
Raumschiff Orion
NASA
Der Aufbau der Orion
(Bild: NASA)
Die Orion bildet das Cockpit und das Habitat der Astronauten während einer Mission. Sie besteht aus dem Crew- und dem Versorgungsmodul. Je nach Anforderung können SMs unterschiedlicher Größe eingesetzt werden. Der Innenraum des Crewmoduls ist über 2,5 mal größer (ca. 15 m³) als die Apollo-Kapsel (ca. 5,9 m³). Die Kapsel kann bei erdnahen Missionen sechs, bei Mond- und Marsmissionen vier Astronauten beherbergen und versorgen. Ursprünglich war geplant, die Orion auf festem Boden landen zu lassen. Im August 2007 verwarf die NASA diese Idee und kehrte zum bekannten Verfahren der Wasserungen zurück.
# Einige geplante Neuerungen der Orion gegenüber der Apollo-Kapsel: Einsatz eines "Glass Cockpits" (Multifunktionale Bildschirme statt einzelner Anzeigen)
# Automatische Andock-Funktion
# Verbessertes Abwasser- und Abfall-Management
# Verzicht auf Brennstoffzellen durch Nutzung von Solarzellenpaneelen
# Autonomes Funktionieren ohne Astronauten an Bord während der Mondlandung
# Wiederverwendbarkeit der Orion CM (bis zu 10 Mal)
Das Landemodul (Lunar Surface Access Module – LSAM)
Das Landemodul hat heute noch keinen offiziellen Namen. Gerüchten zufolge soll das LSAM "Artemis" getauft werden. Artemis ist in der griechischen Mythologie die Mondgöttin und Apollos Schwester.
Das Landemodul ist dem des Apollo-Programms sehr ähnlich, allerdings ist es wesentlich größer. Es besteht aus einer Abstiegs- und einer Aufstiegsstufe. Die Abstiegsstufe beinhaltet neben dem Triebwerk die Treibstoff-, Energie- und Sauerstoffvorräte für die Crew. In der Aufstiegsstufe sind das Habitat für vier Astronauten, die Lebenserhaltungssysteme, sowie der Treibstoff und natürlich Triebwerk und Steuerdüsen für den Wiederaufstieg untergebracht. Wie das LM wird das LSAM zwei Luken haben. Eine oben, für das Andocken und eine vorne für den Ein- und Ausstieg auf dem Mond. Neu ist, dass das LSAM über eine Luftschleuse verfügen wird. Ebenfalls neu wird eine Toilette ähnlich der in der ISS sein, sowie ein Gerät zum Erwärmen von Mahlzeiten. Damit sind die unbeliebten "Apollo-Toilettenbeutel" und die kalten Mahlzeiten während der Mondlandung Vergangenheit.
NASA
Bild vergrößernDas Landemodul des Constellation-Programms
(Bild: NASA)
Der Antrieb beider Stufen besteht aus modifizierten RL-10-Triebwerken der Atlas-V-Rakete (Abstiegsstufe vier, Aufstiegsstufe ein Triebwerk). Als Treibstoff kommt ein Gemisch aus flüssigem Wasserstoff und flüssigem Sauerstoff zum Einsatz, was eine Neuerung ist, da die NASA bisher die einfacheren und verlässlicheren, hypergolischen Triebwerke bevorzugte. Die NASA plant aber für die Marsmissionen ein Gemisch aus flüssigem Sauerstoff und flüssigem Methan für die Aufstiegsstufe einzusetzen. Das Methan soll dabei mittels eines Sabathier-Reaktors auf dem Mars gewonnen werden. Dies erklärt den Entscheid für das komplexere System.
Stand der Entwicklung
Zurzeit läuft die Entwicklung des Constellation-Programms auf Hochtouren, wobei die Ares-Raketen weiter entwickelt sind, als das Landemodul, welches frühestens 2016 zum bemannten Einsatz kommen wird. Sowohl das Design und die Erkenntnisse der Apollo-Systeme, als auch die des Space Shuttles fließen in die Entwicklung mit ein. Vor allem die Apollo-Lösungen auf spezifische Probleme interessieren die heutigen Ingenieure, weshalb die noch existierenden Apollo-Systeme demontiert, untersucht und zum Teil sogar kopiert werden.
NASA
Triebwerktests sowohl der Triebwerke mit flüssigem Treibstoff als auch der Feststoffraketen sind inzwischen Realität. Auch Belastungstests (Druck, Aerodynamik, Vakuum, Erschütterungen etc.) für bereits gebaute Teilelemente werden durchgeführt. Änderungen im Design sind aber noch absolut möglich. Auch die Vergabe der Aufträge an Firmen läuft. So wurde im August 2007 der Auftrag zum Bau der oberen Ares-I-Stufe an Boeing erteilt.
Es scheint, dass das Constellation-Programm gute Chancen hat, ein Erfolg zu werden, da es die bewährten Systeme und Verfahren der bisherigen Raumfahrt-Programme übernimmt und die problematischen Faktoren eliminiert. Natürlich werden mit der Entwicklung eines solch komplexen Systems neue Risiken geschaffen. Durch die Lehren aus der Vergangenheit dürfte die NASA aber in der Lage sein, den zweiten großen Schritt der Menschheit ohne Ausrutscher auszuführen.
Der Zeitplan
2006-2007 Revision des Engineerings
2008 (September) PA-1 unbemannter Abbruch-Test an der Rampe
2009 (September) AA-1 unbemannter Abbruch-Test mit Aufstieg
2010 (Frühling) PA-2 unbemannter Abbruch-Test an der Rampe
2010 (August) AA-2 unbemannter Abbruch-Test mit Aufstieg (Max Q)
2011 (Februar) AA-3 unbemannter Abbruch-Test mit Aufstieg (niedrige Höhe)
2011 (September) AA-4 unbemannter Abbruch-Test mit Aufstieg (große Höhe)
2012 Erster unbemannter Flug der Orion im Erdorbit.
2014 (September) Erster bemannter Flug der Orion im Erdorbit.
2015-2018 Erster unbemannter Flug des Landemoduls (LSAM)
2016-2018 Erster bemannter Flug des Landemoduls (LSAM)
2019 Erster bemannter Flug mit dem Orion/LSAM System
2020 Start der Planung von Mars-Missionen